Velomobil-Eurotour "Plan B" war die bessere Idee
Eine himmlische Angelegenheit: Stopp auf der Domplatte in Köln - eine willkommene Abwechselung für den rumänischen Engelpantomimen |
Eigentlich war es nur eine Trotzreaktion der Unerschütterlichen: Nach der überraschenden Absage der US-amerikanischen Organisatoren für die Eurotour 2013 für Velomobile, zu der sich zur Jahreswende bereits über 130 Fahrerinnen und Fahrer angemeldet hatten, fand die spektakuläre erste Velomobil-Rundfahrt in Europa dann doch noch statt.
Allerdings in kleinerem Rahmen und mit einer anderen Zielsetzung als ursprünglich geplant: Statt der begleiteten und durchorganisierten Tour über drei Wochen von Leer bis Genf und zurück, gingen am 21. Juli 15 „Velonauten“ ohne logistische Unterstützung von außen auf die Strecke von Ostfriesland nach Süden.
Zu absolvieren waren rund 1800 km in 13 Tagen. Südlicher Wendepunkt der Tour war Reims in Frankreich.
Insgesamt beteiligten sich an der Tour, zu der unter dem Namen „Plan B“ Velomobil-Pioneer Carl-Georg Rasmussen aufgerufen hatte, 31 Velomobile aus 9 Ländern, sowie ein „Velomobil ohne Verkleidung“ - ein auf Frontantrieb umgebautes Challenge Taifun.
Die anderen Velomobile nach der Häufigkeit des Vorkommens: Quest, Leitra, Strada, Go One Evo, Mango, Orca, Milan und Sagitta.
Die Tagesetappen waren mit rund 140 km im Schnitt nicht übermäßig ehrgeizig bemessen.
Dafür mussten alle Teilnehmer ihre komplette Campingausrüstung, Werkzeug, Ersatzteile, Lebensmittel (vor allem viel Wasser!) mitschleppen und zusätzlichen zu den Fahrstrapazen die karge Übernachtung auf Campingplätzen und den superheißen Sommer in den fliegenden Kisten überstehen - kein ganz leichtes Vorhaben, wie sich herausstellte. Tempobolzen Richtung Groningen. | |
Kaffeepause auf dem pittoresken Marktplatz in Bernkastel/Mosel |
Neben dem überwiegenden Spaß am gemeinsamen Velomobilreisen (und -rasen) hatte die Tour auch ein wichtiges mobilitätspolitisches Anliegen. „There is something in between“, hatte HPV-Präsidentin Heike Bunte vor dem Tourstart in Leer noch einmal betont. Damit ist gemeint, dass jenseits der Förderung des Kurzstreckenfahrens im städtischen Umfeld und dem Radtourismus auch das muskelbetriebene Pendeln zur Arbeit über längere Strecken existiert, für das sich Velomobile bestens eignen. Es sollte ebenso beachtet und gefördert werden. Zu diesem Zweck warb die Tour bei verschiedenen Stop-Over in der Öffentlichkeit und sogar bei der EU-Kommision in Brüssel, deren Abgesandte sich mit den Tourteilnehmern öffentlichkeitswirksam zeigten und sich die Alltagstauglichkeit der Velomobile hautnah vorführen ließen.
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Dass die Tour vor allem ein großer Spaß war, zeigen Hunderte von Fotos, die im Netz kursieren. Gleichsam nebenbei wurde die Alltagstauglichkeit der Gattung Velomobil in einer Art unter Beweis gestellt, die so niemand erwartet hatte: Im heißesten Sommer seit langem und an Tagen bis 40 Grad im Schatten erwiesen sich die Velomobile als verlässliche und komfortable Fortbewegungsmittel durch beinahe jedes Gelände.
Denn die bewusst und sympathisch low-level-organisierte Tour (man muss dies nicht unbedingt chaotisch nennen) zeigte, dass ein Velomobil groß genug ist, alle Dinge des täglichen Bedarfs mit sich zu führen. Es bietet ausreichenden Wetterschutz, ist im Innern allen Vorurteilen zum Trotz nicht zu heiß (so lange es sich im Fahrwind bewegt) und ermöglicht auch durchschnittlich trainierten Fahrern das Zurücklegen großer Tagesetappen.
Attraktiv, aber leider nicht käuflich: der DubbelQuest von Velomobiel.nl, in dem zwei Velonauten nebeneinander Platz finden
Ein Highlight der Tour, die ihre schönste Etappe von Luxemburg entlang Mosel und Rhein bis Köln - mit Fototermin auf der Domplatte - erlebte, war der Besuch der „Welthauptstadt der Velomobile“, wie der Bürgermeister von Dronten/Flevoland seine Gemeinde gern nennt.
Dort residieren vier bedeutende Akteure der Branche und stellen den derzeit größten Teil der weltweit käuflichen Velomobile her:
- VELOMOBIEL.nl (Quest, Strada)
- FLEVOBIKE Technology (Orca, GreenMachine)
- ALLIGT (Sunrider, Alleweder)
- TEMPELMANN (Versatile, Alleweder)
![]() | Die Tourteilnehmer besichtigten Velomobiel.nl und ließen sich die Produktion und Entwicklung bei Flevobike Technology vorführen - beides sehr beeindruckend für alle.
Orca-Rahmenfertigung bei |
Alle Beteiligten waren sich einig: Es wird eine Neuauflage oder auch regelmäßige Wiederholungen in den kommenden Jahren geben. Vieles wird man dabei - vor allem in Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit - noch besser machen können. Doch hat sich der Typus Selbstversorger, der ohne Begleitfahrzeuge, Gepäcktransport sowie ärztlichen oder technischen Support als derjenige herausgestellt, der das Velomobil als neuen Typus der nachhaltigen Mobilität am besten propagieren kann.
Für Statistikfans:
Text und Fotos: MATTHIAS ERZ | Werbestopp am Deutschen Eck in Koblenz. Velomobile faszinieren überall Passanten, Touristen und Journalisten |